Bristol Sound und Bristol Pound – Erzeugnisse einer innovativen Stadt

Dr. Marlene Iseli, SAGW, Thema Soziale Innovation

Reiseziel: Bristol, UK
Reisemusik: Unfinished Sympathy (Massive Attack)
Währung: Pfund Sterling / Bristol Pound

Einen Blog für die Sommerzeit beizusteuern ist nicht unbedingt als Vertrauensbeweis der Redaktion zu interpretieren. Viele potenzielle Leserinnen und Leser sind ans Meer gefahren und bezahlen in diesem Moment mit Euroscheinen den frisch gegrillten Fisch und das kühle, beschlagene Glas Wein in einem unserer Nachbarländer. Als der Euro 2002 grossflächig eingeführt wurde, war ich gerade in meinem Erasmus-Semester in Paris. Auf dem Markt hörte man zu Jahresbeginn Kilopreise in zwei Währungen, Kellner und Kunden rechneten laut vor, der Franc blieb noch eine ganze Weile der Referenzwert, getunkt in ein paar Tropfen Nostalgie.

Identitätsstiftende Währung
Gemäss Ulrike Gérot, Professorin für Europapolitik und Demokratieforschung an der Donau-Universität Krems, die mit ihrer politischen Utopie einer Europäischen Republik für viel Diskussion gesorgt hat, kann der symbolische Wert einer Währung nicht genug betont werden. So weist auch der Euro ein identitätsstiftendes Merkmal auf. Die Währung schlägt die Brücke zwischen wirtschaftlichen Beziehungen und der Idee einer Gemeinschaft, bei der demokratische Partizipation, rechtliche Gleichstellung von Bürgerinnen und Bürgern und einheitliche Lebensverhältnisse mittels einer demokratischen Rechtsordnung gewährleistet werden. Nach der Etablierung eines europäischen Markts und der Euro-Währung fehlt nun eindeutig der konsequente Schritt zur institutionalisierten Demokratie, so Gérots Überzeugung.

Das Bristol Pound – mehr als einfach nur Geld
Diese identitätsstiftende Eigenheit einer gemeinsamen Währung lässt sich prägnanter mit dem Beispiel einer lokalen Alternativwährung veranschaulichen: 2013 hielt ich zum ersten Mal – kohärenterweise in den Sommerferien – eine ästhetisch äusserst ansprechende Banknote mit dem Aufdruck «Bristol Pound» in der Hand. Das Bristol Pound wurde 2012 mit dem Ziel eingeführt, Bristols lokale Wirtschaft anzukurbeln. Mit der Bristol Credit Union als vertrauenswürdige Partnerin und getragen von der Stadtverwaltung konnte sich die Währung bis heute etablieren. Unterstützt wurde das Unterfangen auch vom damaligen Bürgermeister, der einen beachtlichen Anteil seines Lohns in Bristol Pounds bezog. Lokale Steuern und Busfahrkarten können ebenso mit der Alternativwährung bezahlt werden wie Kaffeegebäck in der Quartierbäckerei. Das Umlaufvolumen bleibt zwar mit 1.5 Millionen (2017) eher bescheiden, aber die Community wächst. «Our City, our money» heisst der Slogan, der die Hauptziele dieses Projekts verdeutlicht: «Bristol Pound is more than money. It's a way to create a community where we understand the value of things, not just the price.» Nachhaltige Wirtschaft, Gemeinschaftsbildung, lokale Vernetzung und Identifikation mit der Stadt werden mit dem Bristol Pound in Verbindung gebracht.

Eine soziale Innovation
Wissenschaftliche Untersuchungen, die sich mit dem Projekt befassen, kommen nicht immer zum selben Schluss. Mit Blick auf Transaktionen und als Treiber für die lokale Wirtschaft bleibt dessen Entfaltung offenbar unter den Erwartungen. Die Fürsprecher der lokalen Währung betonen jedoch, dass sich die Wirkung der Währung auf das Gemeinschaftsgefühl und das Konsumbewusstsein nicht in Zahlen und Statistiken ausdrücken lässt. Wie gross der materielle und ideelle Mehrwert für die Stadt auch immer sei, das Bristol Pound ist ein schönes Beispiel für eine Form sozialer Innovation. Auch wenn der Begriff der Innovation in Anbetracht der allein in den USA 140 existierenden Lokalwährungen etwas hochgegriffen erscheint, so sind eine Vielzahl von möglichen Innovationen damit verbunden. An dieser Stelle sei etwa auf die regelmässigen Redesigns der Banknoten verwiesen, die für lokale Kunstschaffende eine Plattform bieten.

Innovationen jenseits der Technologie
Die SAGW hat unlängst in ihren «Empfehlungen für eine wirksame Förderung der Geistes- und Sozialwissenschaften» das enggefasste Innovationsverständnis in der Schweizer Förderpolitik problematisiert. Im Fokus steht nach wie vor ein technikförmiges und linear auf die Erzeugung von Produkten, Instrumenten und Verfahren ausgerichtetes Innovationsverständnis. Nun hat die Förderagentur Innosuisse kürzlich einen Aufruf zur Einreichung von Innovationsprojekten für nicht-technologische Fachgebiete lanciert (Link Innosuisse). Auch Design-Projekte sollen darin ihren Platz finden.
Da denke ich an Banksy, dessen Street-Art auf einer Banksy Walking Tour in Bristol besichtigt werden kann. Denn das Bristol Pound ist nicht zuletzt Ausdruck einer höchst kreativen Stadt, in der Wallace und Gromit und Shaun das Schaf zum Bristol Beat von Massive Attack und Rony Size ihre Knetköpfe wippen. Wenn ein solches Stadtflair nicht zur Standortattraktivität und zur soziokulturellen Wertschöpfung beiträgt, was dann?

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