Dr. Franca Siegfried Schweizerische Akademie der Geistes- und Sozialwissenschaften
„Das Doktorat ist längst nicht mehr ein Wunderwuzzi aus der
Kiste, der den Weg für eine akademische Karriere ebnet“, schreibt die
Tageszeitung Standard in Österreich (28. Mai 2018). „Weniger Stellen für
Einsteiger, befristete Verträge und prekäre Arbeitsbedingungen – all das trifft freilich nicht nur auf den
akademischen Bereich zu. Eine geistesaristokratische Angelegenheit nannte der
Soziologe Max Weber das Forschen und Lehren an Hochschulen. Wolle man der
inneren Berufung zum Wissenschafter folgen, müssten Unsicherheiten in Kauf
genommen werden, sagte er damals im Jahr 1917.“ https://derstandard.at/1369361894934/Nachwuchs-zwischen-Prestige-und-Prekariat
Junge Akademie
Deutschland
Kündigt sich eine Revolution an deutschen Universitäten an, fragt der Tagesspiegel (5. Juni 2018). Die Junge Akademie will in Deutschland das traditionelle Lehrstuhlprinzip kippen und verlangt klare Karrierewege. Die scientific community diskutiert das Modell der amerikanischen Universitäten mit „Departmentstrukturen“. Mit diesen soll der wissenschaftliche Nachwuchs früher eine klare Perspektive auf eine Karriere bzw. auf eine Dauerstelle an Hochschulen bekommen. Als Alternative können sich die Promovierten rechtzeitig für eine Stelle ausserhalb der Hochschulen umsehen, anstelle in der Warteschleife von befristeten Stellen auszuharren. In einer „Departmentstruktur“ bekommen Professoren ein grösseres Kollegium mit breiteren Themenspektren, und die Last der Verwaltungs- wie auch Gremienarbeit wird verteilt. Der Mittelbau erhält dadurch bessere Karrierebedingungen und die Studierenden werden individueller betreut.
Kündigt sich eine Revolution an deutschen Universitäten an, fragt der Tagesspiegel (5. Juni 2018). Die Junge Akademie will in Deutschland das traditionelle Lehrstuhlprinzip kippen und verlangt klare Karrierewege. Die scientific community diskutiert das Modell der amerikanischen Universitäten mit „Departmentstrukturen“. Mit diesen soll der wissenschaftliche Nachwuchs früher eine klare Perspektive auf eine Karriere bzw. auf eine Dauerstelle an Hochschulen bekommen. Als Alternative können sich die Promovierten rechtzeitig für eine Stelle ausserhalb der Hochschulen umsehen, anstelle in der Warteschleife von befristeten Stellen auszuharren. In einer „Departmentstruktur“ bekommen Professoren ein grösseres Kollegium mit breiteren Themenspektren, und die Last der Verwaltungs- wie auch Gremienarbeit wird verteilt. Der Mittelbau erhält dadurch bessere Karrierebedingungen und die Studierenden werden individueller betreut.
Schweizer Studie
„Next Generation“
Nicht nur in Österreich und Deutschland liegt das Thema
„akademischer Nachwuchs“ in der Luft. Zeitgleich hat Thomas Hildbrand, Zentrum
für Hochschulentwicklung, ZHE Zürich, an der Jahresversammlung der SAGW eine
Studie mit dem Titel „Next Generation“ vorgestellt. Im Auftrag der SAGW und in
enger Zusammenarbeit mit der Arbeitsgruppe „Geisteswissenschaften“ werden die
Befunde in der Reihe swiss academis reports (Vol 13. No 1/2018) publiziert. Analysiert
wird nicht nur die aktuelle Situation der jungen Forschenden, sondern man sucht
nach Modellen und empfiehlt Massnahmen, damit der Nachwuchs im
Wissenschaftssystem wirksamer gefördert wird. Es mangle nicht etwa an Ideen zur
Lösung des Problems, dennoch blieb bis anhin die Umsetzung auf der Strecke, notiert
Hildbrand.
Junge Generation fordert
mehr
ETH-Rat-Präsident Fritz Schiesser im Interview (NZZ am
Sonntag, 3. Juni 2018): „Die Akademien der Geisteswissenschaften fordern
verbindlichere Karriereperspektiven für Forscher, was sagen Sie dazu?“ Fritz
Schiesser antwortet: „Es ist sicherlich richtig, dass Forschende mit Doktorat
die schwierigste Position haben. Hier wäre es wichtig, mehr Sicherheit zu
schaffen.“ Schiesser gibt zu bedenken: „Die junge Generation ist sehr
leistungswillig, aber verlangt dafür auch mehr Mitsprache. Sie will mehr
Transparenz und Austausch. Man nimmt Hierarchien nicht mehr so hin wie noch vor
dreissig Jahren. Viele Professoren müssen da umdenken“. Fritz Schiesser mag es
nicht, wenn sich junge Forscher über Abend- und Wochenendarbeit beklagen – an
einer Institution von Weltruf gehöre das dazu. „Wenn jemand den akademischen
Weg gehen will, weiss er, dass das mit gewissen Risiken und Mühen verbunden
ist. Es können nicht alle bis auf die oberste Stufe einer wissenschaftlichen
Laufbahn kommen. Dafür gibt es nicht genug Stellen“, sagt Schiesser.
Rezept – frühe
Selektion
Was geschieht mit all den jungen Forschenden, die auf dem
Abstellgleis landen bzw. keinen gesicherten Platz finden im Wissenschaftssystem
und sich als „ewige“ Postdocs verdingen. In der Studie „Next Generation“ wird ein
differenziertes Karrieresystem sowie Leitprinzipen vorgeschlagen (Seite 43). Anhand
dieser Prinzipien wurden 24 Empfehlungen formuliert, die zugleich als Grundlage
für einen Massnahmen-Katalog dienen. Nur schon die Umsetzung von drei
Massnahmen würden aktuelle Situation entspannen. Erste Priorität hätte eine
frühe Selektion: „Ein
Verbleiben im akademischen Bereich mit dem Ziel einer weiteren Qualifizierung
soll vor allem für jene Personen eine Option sein, die nach dem Doktorat gute
bis sehr gute Chancen auf eine erfolgreiche Berufung auf eine Professur haben.
Dies bedeutet, dass die jungen Forschenden schon beim Abschluss ihres Doktorats
ein klares Votum zu einem möglichen Weiterverfolgen einer wissenschaftlichen
Karriere und des Verbleibens im Wissenschaftssystem erhalten“, verlangt Hildbrand.
http://www.sagw.ch/de/sagw/oeffentlichkeitsarbeit/publikationen/publis-schwerpunkte/publis-wiss-tech.html
Tadel für das
Wissenschaftssystem
Die Kommission
für Wissenschaft, Bildung und Kultur des Ständerats (WBK-S) beauftragte im Jahr
2012 eine Gruppe junger Forschenden, in dem Positionspapier „Vision 2020“ eine
Reform der universitären Karrierewege zu empfehlen. „Will man fünf Jahre nach
„Vision 2020“ Bilanz ziehen, muss man von einer gescheiterten Initiative
sprechen“, schreibt Caspar Hirschi im SAGW-Bulletin 3/17 (Dossier „Akademische
Karrierewege nach dem Doktorat“). Hirschi leitete damals die Gruppe der jungen
Forschenden: „Die Forderungen von „Vision 2020“ waren denn auch so formuliert,
dass sie für Bildungspolitiker in Bern unmittelbar nachvollziehbar sein würden“.
Sie verlangten damals 1000 zusätzliche Assistenzprofessuren mit „Tenure Track“
an Schweizer Universitäten im Zeitverlauf von sechs Jahren. Weitere Forderungen
waren etwa die Anhebung der Doktorandensaläre, wie auch die Trennung von Begutachtung
und Betreuung bei Promotionen sowie die finanzielle und organisatorische
Förderung von Frauen mit Familien auf befristeten Stellen. „Da der Bund
Hauptadressat unserer Forderungen war, beauftragte die WBK-S das
Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation mit einer Prüfung
unserer Forderungen. Diese fand in ernsthafter Weise nie statt“, beanstandet Hirschi.
„Der Staatssekretär äusserte als überzeugter Föderalist und Liberalist von
Anfang an prinzipielle Einwände gegen ein Anreizprogramm.“ Und auch die Rektorenkonferenz
sah in der Bundesinitiative zur Förderung junger Forschenden einen Präzedenzfall,
der universitäre Autonomie einschränken würde.
Wissenschaft im
Wandel
Nach der Präsentation des Berichtes „Next Generation“ setzen
sich am 1. Juni an der SAGW-Jahresversammlung Matthias Egger (Präsident
Schweizerische Nationalfonds), Michael Hengartner (Präsident
swissuniversities), Simona Pekarek Doehler (Arbeitsgruppe «Wissenschaftskultur
der Geisteswissenschaften») mit zwei jungen Forschenden an einen Tisch. Walter
Leimgruber (Vizepräsident SAGW) moderiert die Debatte über Nachwuchsförderung
in der Schweiz. Die vorgesehenen 75 Minuten reichen kaum für eine gemeinsame Offensive.
Michael Hengartner kann sich beispielsweise kleinere Professuren ohne Assistenz
vorstellen. Eine Simulation der Handlungsmöglichkeiten wäre in einer Machbarkeitsstudie
eine gute Basis für strukturelle Reformen. Zur Sprache kommt wieder die föderalistische
Hürde in der Schweizer Hochschullandschaft. Strukturelle Massnahmen, die in den
Zuständigkeitsbereich der kantonalen Hochschulen fallen, benötigen einen
langwierigen Prozess. Gefragt sind Sofortmassnahmen, welche die Universitäten
schnell umsetzen können. Beim „third space“ wird einstimmig mehr Fantasie und
Gestaltungswille gefordert. Ein offeneres Konzept kann durchaus erfolgreich
sein, oder die Macht des Ungefähren als Chance für Gestaltungsfreiheiten
genutzt werden. Je mehr Details in Pflichtenheften fixiert sind, desto grösser
wird die jeweilige Angriffsfläche. Die junge Forschende Jasmine Lorenzini (Project
leader Ambizione, Université de Genève) bringt ihre Erfahrung und klare
Forderungen in die Runde – mehr Aktion, weniger Debattitis – verbale Unterstützung
bekommt sie von Florian Lippke (Co-Präsident actionuni). Der empfohlene Kulturwandel
sollte durch die Verlagerung des Mitteleinsatzes von befristeten zu
unbefristeten Anstellungsverhältnissen erreicht werden. Desgleichen wird der
Schweizerische Nationalfonds seine Tätigkeiten überprüfen und auf die
Bedürfnisse der Hochschulen abstimmen. Forschen an Hochschulen ist eine geistesaristokratische
Angelegenheit, Max Weber sprach über die Wissenschaft als Beruf. Sein Vortrag
hielt er vor 100 Jahren – nicht wenige Gedanken sind aktueller denn je. https://www.textlog.de/2333.html
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