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Dr. Franca Siegfried Schweizerische Akademie der Geistes- und Sozialwissenschaften
Lukas Hartmann erzählt die Geschichte von Dr.
phil. Gruber. Wie der rechtschaffene Mann am Gymnasium junge Menschen in
Deutsch unterrichtet und sich in seiner Freizeit in Adalbert Stifters
Wortbilder vertieft. Niemand, nicht mal seine Familie, kannte jedoch das dunkle
Geheimnis des promovierten Germanisten: Gruber war Mitglied der geheimen
Widerstandsorganisation P-26 in der Schweiz. Erst 20 Jahre nach Ende des Kalten
Krieges darf er sein Schweigen brechen. „Auf beiden Seiten“ – vor zwei Jahren
erschien Hartmanns Roman. Der Autor hat in seinem Buch ein Stück Schweizer
Geschichte mit Fantasien und Realitäten meisterhaft verwoben. Hartmann selber
studierte Germanistik und Psychologie, war auch als Lehrer unterwegs. Für seine
Recherche über P-26 reichte ihm wohl der Bericht der parlamentarischen Untersuchungskommission
(PUK) aus den 1990er-Jahren, der öffentlich zugänglich ist.
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http://www.diogenes.ch/leser/titel/lukas-hartmann/auf-beiden-seiten-9783257069211.html
https://eu.alma.exlibrisgroup.com/view/delivery/41BIG_INST/12334168690001791
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Geschlossene Gesellschaft
Im aktuellen Jahresbericht 2017 der
parlamentarischen Geschäftsprüfungsdelegation (GPDel) steht es schwarz auf
weiss, ein Historiker hatte im September 2016 ein Gesuch um Einsicht in P-26
Akten eingereicht, mit dem Resultat: Das Verteidigungsdepartement (VBS) weiss
nicht mehr, wo diese Akten sind. Noch existiert eine eingeschwärzte Version des
sogenannten Cornu-Berichts, welcher zur Veröffentlichung gedacht war. Ein
Jahr später teilt das VBS der GPDel mit, dass sie immer noch nach
den Akten suchen! Auf dem Fachportal für die Geschichtswissenschaften der Schweiz www.infoclio.ch ist
eine gut recherchierte Chronologie des Falles nachzulesen:
„Im Jahr 1990 wurde im Zuge der Untersuchungen zum
Fichenskandal bekannt, dass im Jahr 1979 Oberst Efrem Cattelan beauftrag wurde,
eine geheime Widerstandsorganisation aufzubauen, die im Falle einer
militärischen Besetzung des Landes den Widerstand organisieren sollte. Die
Organisation hätte ausserdem auch bei einem "Umsturz durch Unterwanderung"
eingesetzt werden können. Die vom Parlament eingesetzte "Parlamentarische
Untersuchungskommission EMD" unter der Leitung von Ständerat Carlo Schmid
veröffentlichte am 17. November 1990 ihren Bericht dazu. Zusätzlich
wurde der Untersuchungsrichter Pierre Cornu beauftragt, die Beziehung der P-26
zu "analogen Organisationen im Ausland" zu untersuchen. Eine gekürzte Fassung dieses
sogenannten Cornu-Berichts wurde am 5. August 1991 veröffentlicht. Die
ungekürzte Version wurde jedoch bis ins Jahr 2041 gesperrt. Der Bundesrat
stufte die Verbindungen zu ausländischen Geheimdiensten als zu heikel ein, wie
aus den Antworten von Bundesrat
Kaspar Villiger in der Fragestunde des Nationalrats vom 30.
September 1991 hervorgeht.“
Die Geschichte hat kein Happy-End: Im Jahr 2009 wurden die
Mitglieder der P-26 von ihrer Schweigepflicht entbunden, trotzdem blieb der
Cornu-Bericht unter Verschluss – der Bundesrat hat eine Veröffentlichung
abgewiesen. Und die teilweise schon in die Jahre gekommenen P-26 Mitglieder
wünschen sich noch immer eine Rehabilitation für ihre Aktivitäten im Kalten
Krieg. Aus diesem Grund wurde im November 2017 in Gstaad ein privates P-26
Museum eröffnet. Der ehemalige Verteidigungsminister Ueli Maurer hielt an dem
Anlass eine Ansprache – Öffentlichkeit war nicht erwünscht. Das P-26 Museum ist
auch jetzt nicht zugänglich für die Bevölkerung.
https://www.infoclio.ch/de/blog-vermisste-akten-zur-geheimarmee-p-26-eine-presseschau
Historiker sind gefordert
„Wo die Wahrheit zwischen Verteufelung und Heiligsprechung der P-26 liegt, müssen Historiker weiter untersuchen“, schreibt der Bundeshaus Korrespondent des Tages-Anzeigers Markus Häfliger. „Es darf darum nicht sein, dass das VBS wichtige Akten verschlampt oder gezielt vernichtet.“ In den 1990er-Jahren wurden die ehemaligen P-26 Mitglieder als potenzielle Putschisten stigmatisiert. Die Organisation rekrutierte rund 400 Schweizerinnen und Schweizer und bildete sie militärisch aus. Im ganzen Land unterhielt sie geheime Waffendepots. Heute schlage das Pendel auf die andere Seite, berichtet Häfliger. Ex-Mitglieder und ihre Supporter versuchen, Kämpfer und Organisation zu legitimieren. Darf es in einem Rechtsstaat eine Parallelarmee geben? https://www.tagesanzeiger.ch/schweiz/standard/die-p26akten-gehoeren-allen/story/26363349
„Wo die Wahrheit zwischen Verteufelung und Heiligsprechung der P-26 liegt, müssen Historiker weiter untersuchen“, schreibt der Bundeshaus Korrespondent des Tages-Anzeigers Markus Häfliger. „Es darf darum nicht sein, dass das VBS wichtige Akten verschlampt oder gezielt vernichtet.“ In den 1990er-Jahren wurden die ehemaligen P-26 Mitglieder als potenzielle Putschisten stigmatisiert. Die Organisation rekrutierte rund 400 Schweizerinnen und Schweizer und bildete sie militärisch aus. Im ganzen Land unterhielt sie geheime Waffendepots. Heute schlage das Pendel auf die andere Seite, berichtet Häfliger. Ex-Mitglieder und ihre Supporter versuchen, Kämpfer und Organisation zu legitimieren. Darf es in einem Rechtsstaat eine Parallelarmee geben? https://www.tagesanzeiger.ch/schweiz/standard/die-p26akten-gehoeren-allen/story/26363349
Bunkern als
Kostensenker
„Für Sacha Zala ist die Affäre um P-26 Akten nur die Spitze des
Eisbergs. Der oberste Historiker der Schweiz wirft dem Bund Zensur-Tendenzen
vor. Immer häufiger versuche die Verwaltung, Akten einfach wegzusperren“,
schreibt am 9. Februar 2017 der Tages-Anzeiger. Im Interview spricht Sacha Zala
Klartext. „Da die Akten offenbar nicht im Bundesarchiv sind, wo sie gemäss
Gesetz sein müssten, gibt es drei Möglichkeiten: Erstens, sie sind noch im VBS,
aber dort nicht auffindbar. Zweitens, sie wurden vernichtet. Drittens, jemand
hat sie entwendet.“ Für Beamte sei die Archivierung nur ein Kostenfaktor. „Beim
VBS kommt erschwerend hinzu, dass die Abteilung Informations- und
Objektsicherheit für die Einhaltung der Geheimhaltung zuständig ist“, sagt Zala.
„Diese Leute sind sozusagen von Amtes wegen dafür bezahlt, paranoid zu sein.
Für sie wäre es wohl am besten, sie könnten alles wegbunkern.“ Oft wird die Schutzfrist
der Akten von 30 Jahren auf 50 oder 80 Jahre verlängert. „Im Übrigen gilt die
Faustregel: Je höher die Juristendichte, desto schwieriger und kafkaesker wird
es für uns Historiker“, sagt Sacha Zala. „In der Verwaltung denkt man, dass
Zensur die schnellste und billigste Lösung ist: Man sperrt die Akten mit einem
Federstrich und meint, damit sei das Problem für immer gelöst. De facto ist
Zensur aber sehr teuer, nicht nur weil sie hohe politische Kosten hat, wie wir
jetzt bei den P-26 Akten sehen.“ Der 49-jährige Historiker ist Präsident der
Schweizerischen Gesellschaft für Geschichte und Direktor der Forschungsstelle
Diplomatische Dokumente der Schweiz (Dodis), einem Unternehmen der SAGW: www.dodis.ch
L – Learn Dodis Day
Steffen Mau, der deutsche Professor für Makrosoziologie warnt in seiner Publikation „Das metrische Wir“ vor dem Staat als Datenmanager. Statistische Erfassung und Klassifizierung spielten in der Regierungskunst längst eine prominente Rolle, jedoch mit dem technischen Fortschritt der Digitalisierung hat die Rationalisierung von Politik und Verwaltung auf der Basis von Zahlen massiv zugenommen. Eine amtliche Zahlenkunde bzw. ausufernde Statistik kann eine wissenschaftliche Aufarbeitung von Dokumenten über politische Prozesse nicht ersetzen. Sacha Zala spricht vom GoogleParadox im Tages-Anzeiger: „Im analogen Zeitalter konnte man ins Bundesarchiv reinspazieren und viele Aktenbestände problemlos einsehen. Durch die heutige Verbreitung der Informationen im Internet glaubt die Verwaltung jetzt, alles wegschliessen zu müssen.“ Archive dienen der Rechtssicherheit und der Überprüfbarkeit der Verwaltung. Werden in der beschleunigten Transformation der Digitalisierung Historiker zum Mahnfinger von Verwaltung und Politik? Wissenschaftliche Neugierde und Hartnäckigkeit vermag Regelverstösse aufdecken, wie der aktuelle Fall P-26 zeigt. Werden Historiker das Vertrauen der Bevölkerung gewinnen, das die Verwaltung und Politik verloren haben? Im Jahr 1998 hat die Politik im Bundesgesetz über die Archivierung noch festgelegt, dass alle in diesem Land denselben Zugang haben sollen. Nur! Es braucht viel Wissen und Zeit, in Datenbanken zu recherchieren. Deshalb organisiert Sacha Zala mit seinem Forschungszentrum den Dodis Tag 2018 für Geschichtsstudenten und für eine interessierte Öffentlichkeit: 14. März 2018, um 10.15 Uhr im Schweizerischen Bundesarchiv, Archivstrasse 24 in Bern. Vielleicht wird sich auch ein Autor unter die Interessierten mischen – in der Datenbank von Dodis schlummern noch viele Geschichten für neue Romane.
https://www.dodis.ch/fr/colloques/learn-dodis-day-2018http://www.suhrkamp.de/buecher/das_metrische_wir-steffen_mau_7292.htmlhttps://www.dodis.ch/res/doc/2018-02-09_tages-anzeiger.pdf
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