Von Soft Power und Sustainable Development Goals

Dr. Franca Siegfried Schweizerische Akademie der Geistes- und Sozialwissenschaften
„Multilaterale Zusammenarbeit ist weder ein idealistisches Unternehmen noch eine naive Phantasie“, sagte Robert O. Keohane im Bundeshaus. „Im Großen und Ganzen fördert es unsere Interessen, es kann uns ermutigen, und es mildert die Grenzen von Konflikten...“ Am 17. November 2017 bekam er im Beisein von Bundespräsidentin Doris Leuthard den Balzan Preis 2016 für Internationale Beziehungen – Geschichte und Theorie. Der US-Amerikaner schrieb in den 1980er Jahren den Klassiker „After Hegemony: Cooperation and Discord in the World Political Economy“ als entscheidenden Beitrag zum institutionellen Ansatz in internationalen Beziehungen. „Wir brauchen die Welthandelsorganisation, um einen Kreislauf von Protektionismus und Handelskriegen zu verhindern. Wir brauchen den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, um Friedenssicherung in vom Bürgerkrieg zerrissenen Ländern zu organisieren. Wir brauchen den Hohen Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen, um die Staaten zu ermutigen, auf faire Weise Flüchtlinge aufzunehmen...“ Keohanes Gedanken auf den Punkt gebracht: No deals without institutional rules!

Global Goals
Im Januar 2016 haben die Vereinten Nationen (UNO) die Sustainable Development Goals (SDGs) lanciert. 193 führende Politiker der Vereinten Nationen haben den Plan verabschiedet, mit 17 Zielen, unsere Welt bis 2030 zu verändern. No deals without institutional rules! Alle 193 Mitgliedstaaten sind aufgefordert, die grossen Probleme der Welt gemeinsam zu lösen – dazu gehört auch die Schweiz. Zur Verwirklichung der nachhaltigen Ziele organisieren die Akademien der Wissenschaften Schweiz zusammen mit der Schweizerischen UNESCO-Kommission eine Tagung, die alle Herausforderungen und möglichen Beiträge in unserem Land aufzeigen: Sustainable Development Goals - The Contribution of Science am 22. Januar 2018 im Kursaal Bern.


SDG – Ziel Nummer eins
„Armut in allen ihren Formen und überall beenden“, seit 1990 leben weltweit über 800 Millionen Menschen in Armut. Im Jahr 2016 verfügte beispielsweise in der Schweiz rund eine von fünf Personen nicht über die Mittel, um eine unerwartete Ausgabe von 2500 Franken zu tätigen. Jede zehnte Person war nicht in der Lage, eine Woche Ferien pro Jahr ausser Haus zu finanzieren. Und letztes Jahr waren 6,9 Prozent der Bevölkerung dauerhaft armutsgefährdet. Diese Zahlen stammen aus der Studie über Einkommen und Lebensbedingungen (SILC) vom Bundesamt für Statistik (BFS). Die Berner Fachhochschule hat in 14 Städten der Schweiz Sozialhilfeempfänger evaluiert (NZZ, 7.11.2017). Das Armutsrisiko ist besonders hoch bei alleinerziehenden Müttern unter 25 Jahren. Im Schnitt sind 84 Prozent dieser Haushalte auf Sozialhilfe angewiesen. Bei den 26- bis 35-Jährigen sinkt die Quote auf 46 Prozent. Obwohl der Lebensstandard in der Schweiz zu den höchsten in Europa gehört, sind Kinder ein Armutsrisiko.

SDG – Ziel Nummer vier
„Inklusive, gleichberechtigte und hochwertige Bildung gewährleisten und Möglichkeiten lebenslangen Lernens für alle fördern“, so steht es in der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung. Es ist unbestritten, dass eine Grund- und Berufsbildung die Lebensbedingungen des Einzelnen, der Gemeinschaften und auch der Gesellschaft verbessert und sichert.
Seit 2010 gibt es zwei Berichte, letzter erschien im Jahr 2014, die das Bildungssystem der Schweiz analysieren. An den Übergängen im Bildungswesen, besonders zwischen Primar- und Sekundarstufe I, zeigen sich besonders grosse Chancenungleichheiten. Während der Primarschulzeit wirken Leistungsdifferenzen aufgrund unterschiedlicher Förderung und Erziehungsstilen, jedoch beim Stufenübergang spielt die Herkunft eine wichtige Rolle. Zu diesem Zeitpunkt werden die sozialen Weichen der Kinder gestellt: Diese Verletzung der Chancengerechtigkeit belegt auch eine Zürcher Studie, welche aufzeigt, dass bei gleichen Schulleistungen Kinder aus privilegierten Verhältnissen nach der sechsten Primarklasse eher ins Langzeitgymnasium oder in die Abteilung A der Sekundarstufe übertreten als etwa Kinder aus weniger privilegierten Verhältnissen.

SDG – Ziel Nummer fünf
„Geschlechtergleichstellung erreichen und alle Frauen und Mädchen zur Selbstbestimmung befähigen“. Der Fall „Gewalt gegen Frauen“ gehört zum Ziel Nummer fünf. Das Bundesamt für Statistik BFS stellt jeweils Informationen von der polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) zusammen. Im Jahr 2016 wurden 17‘685 Straftaten im häuslichen Bereich registriert – Tendenz zunehmend. 42,2 Prozent der aufgeklärten Tötungsdelikte ereigneten sich im häuslichen Bereich, ebenso 45 Prozent der Vergewaltigungen und 50 Prozent der Tätlichkeiten. Die Dunkelziffer bzw. das Verhältnis zwischen den statistisch ausgewiesenen Zahlen und nicht erfassten Taten sind im Fall „Gewalt gegen Frauen“ gross. Zur Dunkelziffer führen Einflüsse wie etwa Angst vor Stigmatisierung, unterschiedliche Auffassung von Tabuisierung oder Akzeptanz von Gewalt. Aus diesem Grund organisiert die SAGW am 15. Februar 2018 an der Universität Fribourg eine Tagung „Gewalt gegen Frauen in der Schweiz – von hier aus, wohin?“

Soft Power
Der Balzan-Preisträger Robert O. Keohane fragte sich am 17. November in seiner Dankesrede im Bundeshaus: „Wie definieren Staaten ihre Interessen und durch welche Mittel konkurrieren sie sich?“ Der Politikwissenschafter vertritt den Grundgedanken, dass die institutionalisierte Zusammenarbeit weit davon entfernt ist, dem Eigeninteresse entgegenzutreten, sondern im Interesse aller Regierungen liegt, die sich auf das Wohlergehen ihrer eigenen Völker konzentrieren. Staaten können sich konkurrieren, indem sie versuchen, ihre Gesellschaften für andere attraktiver zu machen. Diese Strategie bezeichnet er als „Soft Power“ und zitiert dabei den US-amerikanischen Kollegen Joseph Nye. Die „Soft Power Welt“ sei eine bessere Welt als die „Hard Power Welt“, die auf militärische Gewalt vertraut. Darum sind es auch die Vereinten Nationen, die mit „Soft Power“ und 17 nachhaltigen Zielen, die Entwicklung der Welt bis 2030 verbessern wollen.
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