Über Roboter, Jobvernichter und Panikmache

Dr. Franca Siegfried Schweizerische Akademie der Geistes- und Sozialwissenschaften
Wie viele Arbeitsplätze wird die digitale Revolution vernichten? Diese zukunftsweisende Frage hat in den letzten Monaten eine weltweite Debatte ausgelöst. Die Väter der Debatte sind keine Politiker, sondern anerkannte Professoren aus England und den USA. Mit wenigen Studien haben sie Szenarien mit einer Tendenz zur Schwarzmalerei publiziert. Als Resonanzverstärker amtieren ausgewählte Journalisten, welche einen weltweiten Rudeljournalismus mobilisieren. 

Das Panikorchester
Die rasche Automatisierung werde die Arbeitswelt auf den Kopf stellen und berge die Gefahr sozialer Konflikte, sagte MIT-Professor Erik Brynjolfsson von Boston USA in einem Interview mit der NZZ am Sonntag. Und Carl Benedikt Frey, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Oxford GB, hat mit seinem Kollegen Michael Osborne eine Studie mit dem Titel „Die Zukunft der Beschäftigung“ publiziert. Die Frankfurter Allgemeine (FAZ) schreibt über Frey: „... so sieht also der Mann aus, der Millionen Beschäftigte rund um den Globus in Angst und Schrecken versetzen kann.“

Panikattacken
Da wäre auch noch Martin Ford, ein 53-Jähriger IT-Unternehmer mit seinem Bestseller „Rise of the Robots“. Der „Silicon Valleyianer“ hat erkannt, dass Roboter und künstliche Intelligenz viele Angestellte aus ihren Jobs drängen werden. „Wissensjobs sind oft einfacher und billiger zu automatisieren“, sagte Ford der NZZ am Sonntag. Er beschreibt, wie etwa ein Radiologe künftig vom Computer ersetzt werden kann. Fords Botschaft ist gemeinverständlich: Dem Mittelstand wird es an den Kragen gehen!

Recycling-Modell
Joël Luc Cachelin, ein Ökonom der Universität St. Gallen, hat sich als Experte zur Digitalisierung einen Namen gemacht. Er sucht in den digitalen Unsicherheiten nach neuen Wegen, und er landet beim Grundeinkommen, ein Konzept aus den 1970er-Jahren. Die Ökonomen Wolfram Engels, Joachim Mitschke und Bernd Starkloff entwickelten für Deutschland ein Konzept, welches auf der von Milton Friedman seit den 1960er-Jahren propagierten Idee einer negativen Einkommensteuer basiert. Demnach würde das Finanzamt jedem Steuerpflichtigen eine Pauschale von der Steuerschuld abziehen und bei einem negativen Endbetrag diesen auszahlen. Am 5. Juni 2016 haben jedoch die Schweizer StimmbürgerInnen die Volksinitiative „Für ein bedingungsloses Grundeinkommen“ abgelehnt.

Schon wieder neue Arbeit
Gemäss Joël Luc Cachelin werden Beruf und Arbeitsvertrag in der Digitalisierung an Bedeutung verlieren, das eigene Potenzial muss deshalb gefördert werden: Die arbeitslose Kassiererin könnte Vorleserin werden und der ausgemusterte Buchhalter könnte sich beim Fotografieren verwirklichen. Wer kennt die Bewegung „New Work“ von Frithjof Bergmann nicht? In den 1980er-Jahren gründete er das erste Zentrum für Neue Arbeit in der Automobilstadt Flint in Michigan (USA). Bergmann berät neben Regierungen, Firmen, Gewerkschaften und Kommunen auch Jugendliche und Obdachlose in Fragen der Zukunft der Arbeit und der Innovationsfreudigkeit.

Eine Landkarte der Arbeit
Im Echo der weltweiten Digitalisierungs-Debatte sind auch in unserem Land Studien entstanden. So hat etwa die Beratungsfirma Deloitte untersucht, wie knapp die Ressource Mensch für verschiedene Berufe werden wird: Ein Drittel der Jobs lassen sich automatisieren. Gemäss Deloitte sind sogenannte „Geistesarbeiter“ nur schwer ersetzbar: Beispiel Ärzte! Also wird im Gegensatz zu Martin Fords Warnung in dieser Studie der Mittelstand gestärkt. Auch sogenannte „Humane Kräfte“ wie Lehrer und Pfleger dürften ihren Job behalten.

Es fehlt an Klarheit
Die Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften ZHAW hat 600 Fach- und Führungskräfte der Schweiz befragt, um ein „unaufgeregteres Bild“ der Transformation zu erhalten: Mehr als drei Viertel glauben nicht daran, dass ihr Job durch Maschinen bzw. Roboter ersetzt werden wird. Alle Befragten verfügen jedoch über ein hohes Bildungsniveau. Und es gebe noch keine klare Definition, was man unter Digitalisierung oder Arbeiten 4.0 überhaupt zu erwarten hat...


Aufmerksamkeit ohne Schwarzmalerei
Im Januar 2017 hat auch der Bundesrat mit dem „Bericht über die zentralen Rahmenbedingungen für die digitale Wirtschaft“ auf die Debatte reagiert: Der Bericht ist sehr vorsichtig formuliert, ohne Panikmache: „Für die Schweiz gelangt Deloitte zum Schluss, dass bis 2025 netto rund 270‘000 neue Stellen entstehen werden. Die Schaffung neuer Arbeitsplätze nimmt im Gegensatz zum arbeitssubstituierenden Effekt in der Regel längere Zeit in Anspruch. Der Grund dafür ist, dass die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle und der Aufbau von Know-how in neuen Bereichen typischerweise langfristige Prozesse sind. Sobald hingegen eine arbeitssubstituierende Technologie verfügbar ist, kann diese in der Regel schnell eingesetzt werden. Kurz- bis mittelfristig sind deshalb negative Effekte des technologischen Fortschritts auf die Beschäftigung nicht auszuschliessen.“

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