Dr. Franca Siegfried Schweizerische Akademie der Geistes- und Sozialwissenschaften
Die Lehrerschaft ist verärgert, unzufrieden und fühlt
sich verraten. Die Erziehungsdirektoren Konferenz EDK hingegen freut sich – das
Stimmvolk des Kantons Zürich hat die kantonale Volksinitiative zur Anpassung
des kantonalen Volksschulgesetzes in der Fremdsprachenfrage abgelehnt. Englisch
und eine zweite Landessprache müssen PrimarlehrerInnen weiterhin unterrichten.
Vor 13 Jahren haben die Kantone eine gemeinsame Sprachenstrategie ausgearbeitet
und später ins HarmoS-Konkordat aufgenommen. Heute lernen Primarschüler in 23
Kantonen zwei Fremdsprachen.
Frühdeutsch
«Der Entscheid aus Zürich
zeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind», sagt Monika Maire-Hefti, Neuenburger
Staatsrätin, die der Regionalkonferenz der Westschweizer und Tessiner
Bildungsdirektoren vorsteht. «Das Resultat ist ein Bekenntnis zu den Minderheiten
und zur Viersprachigkeit der Schweiz.» In der Westschweiz ist das
Frühdeutsch in der Primarschule selbstverständlich: PrimarlehrerInnen
bringen ihren Schützlingen deutsche Vokabeln
und Grammatik bei. Und niemand hat dabei den Anspruch, dass die Kinder nach der sechsten Klasse schon
perfekt Deutsch sprechen.
Über das Wörtchen „Früh“
Dr. Markus Zürcher stellt
sich die Frage im SAGW-Bulletin 1/2017, ob nicht bereits die Rede von
«Frühfranzösisch» und «Frühenglisch» auf die schiefe Bahn führt: „Jedenfalls
scheinen «Frühmathematik», «Frühbasteln», «Frühsport» und vieles mehr, was sich
Kinder in ihrer Neugier und ihrem Wissensdurst aneignen, keine Sorgen zu
bereiten. Unklar ist auch, wovor die Kinder denn bewahrt werden sollen, ist
doch Mehrsprachigkeit weltweit, in Europa wie in der Schweiz, die Regel und
nicht die Ausnahme.“
Explosiv
Wann ist
der richtige Zeitpunkt eine Sprache zu lernen? Simone Pfenninger erforschte
am Englischen Seminar der Universität Zürich das
Lernen von Fremdsprachen. Ihre These: Je früher Kinder Sprachen lernen, desto
besser lernen sie. Doch Pfenningers Resultate stützten die Früher-desto-besser-Annahme nicht und wurden
zur Lunte in der explosiven Sprachendebatte im Sommer 2016.
Globalesisch
Jetzt möchte
sogar das Thurgauer Parlament das
Frühfranzösisch abschaffen,
erste Beschlüsse sind gefasst, ihre Debatte geht Mitte Juni weiter. Frank A. Meyer, Chefpublizist im Hause Ringier sinniert
im SonntagsBlick über die Thurgauer. Sein Fazit: Es gehe im Grunde nicht um den
Sprach- sondern Kulturunterricht.
Darum müsste das Frühfranzösisch zu einem kulturellen Erlebnisfach ausgeweitet werden: „In einer Zeit,
in der das als Englisch bezeichnete Globalesisch die Pflege von Sprachkulturen
weltweit bedroht, müsste innovative Pädagogik doch darauf aus sein, das Fach
Französisch zu verstärken, statt es zu schwächen“, schreibt Frank A. Meyer.
Adieu
Röschtigraben
Markus Bleiker der Primarschule Eglisau hat 20 Jahre
Erfahrung mit Französisch. Er pflegt dabei den Austausch mit einer
Partnerschule aus dem Unterwallis. Ein gemeinsames Klassenlager motiviert etwa die
Kinder zum Lernen. Lehrer Bleiker berichtet von Freundschaften, die den „Röschtigraben“
überwinden und wie entspannt Kinder miteinander Französisch sprechen.
Kein
Sonderfall Schweiz
Die Mehrsprachigkeit in der Schule wie in der Gesellschaft ist keine Exklusivität der Schweiz: So versteht sich die Europäische Union als die grösste mehrsprachige Gemeinschaft der Welt. Entsprechend setzt sie sich zum Ziel, dass in der obligatorischen Schule nebst der Muttersprache zwei weitere Sprachen erworben werden. Darüber haben Experten aus der Wissenschaft Ende März in Bern an einem SAGW-Podium diskutiert.
Die Mehrsprachigkeit in der Schule wie in der Gesellschaft ist keine Exklusivität der Schweiz: So versteht sich die Europäische Union als die grösste mehrsprachige Gemeinschaft der Welt. Entsprechend setzt sie sich zum Ziel, dass in der obligatorischen Schule nebst der Muttersprache zwei weitere Sprachen erworben werden. Darüber haben Experten aus der Wissenschaft Ende März in Bern an einem SAGW-Podium diskutiert.
Evaluation
und Esprit
„Es gilt jetzt jedoch zu
akzeptieren, dass eine Mehrheit weiterhin zwei Fremdsprachen an der
Primarschule wünscht. Umso vehementer fordert das Initiativkomitee von den
politischen Gremien nun Massnahmen zur operativen Verbesserung des
Sprachenkonzepts im Kanton Zürich. Was es jetzt endlich braucht, ist eine
detaillierte Evaluation des Fremdsprachenunterrichts im Kanton Zürich“, gemäss
Medienmitteilung des Zürcher Lehrerinnen- und Lehrerverband ZLV. Könnte eine Evaluation
des Fremdsprachenunterrichts mehr Esprit in die Klassenzimmer zaubern? Einfach
wird es nicht: Prof. Margrit Stamm mahnte schon im Jahr 2004 über die Folgen von
Evaluation für die Bildung. Nebenbei: Der Begriff Evaluation (Bewertung,
Auswertung) wurde im 19. Jahrhundert zuerst im Französischen – erst später im
Englischen verwendet...
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