Dr. Franca Siegfried Schweizerische Akademie der Geistes- und Sozialwissenschaften
Eugène Delacroix
malte eine junge Schönheit, wie sie in Paris über Barrikaden stürmt: In der
rechten Hand schwingt sie die Tricolore, mit der linken umklammert sie ein
Gewehr – barfuss, barbusig. Das Meisterwerk von Delacroix ist beispielhaft – Marianne,
die Nationalfigur der französischen Revolution. Seit dieser Revolution gilt auch
das republikanische Frauenideal: Jung und fruchtbar. Die Mutter der Nation
bringt Kinder auf die Welt, schliesslich setzt der moderne Nationalstaat auf genügend
Bürger. Was Delacroix im Jahr 1830 auf die Leinwand brachte, passt zur aktuellen Diskussion der demografischen Schieflage in der Schweiz: Wir sind nicht überaltert sondern unterkindert! http://cartelen.louvre.fr/cartelen/visite?srv=car_not_frame&idNotice=22746
Familienbericht 2017
Über die aktuelle Situation der Familien in der Schweiz ist im
April ein Bericht vom Bundesamt für Statistik erschienen. Vier
Handlungsfelder strukturieren den Report: Die wirtschaftliche
Absicherung der Familie, die Anpassung des Familien- und Erbrechts, um die Förderung
der Familie wie auch um die Förderung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. www.bsv.admin.ch/bsv/de/home/sozialpolitische-themen/familienpolitik/grundlagen/familienbericht-2017.html
Der Handlungsbedarf des Familien- und Erbrechts sowie konkrete Reformvorschläge werden auch in der Publikation „Ehe und Partnerschaft zwischen Norm und Realität“ Vol. 11, No 1, 2016, swiss academies reports, weiter vertieft. http://www.sagw.ch/sagw/laufende-projekte/generationen/publis-generationen.html
Der Handlungsbedarf des Familien- und Erbrechts sowie konkrete Reformvorschläge werden auch in der Publikation „Ehe und Partnerschaft zwischen Norm und Realität“ Vol. 11, No 1, 2016, swiss academies reports, weiter vertieft. http://www.sagw.ch/sagw/laufende-projekte/generationen/publis-generationen.html
Die Marianne der Schweiz
Sieben von
zehn Frauen in unserem Land zwischen 25 und 80 Jahren sind Mütter von einem
oder mehreren Kindern. Gemäss Statistik lag im Jahr 2014 die Geburtenziffer bei
1,54 pro Frau – der europäische Durchschnitt ist bei 1,58.
Glückszahl 2,2
Der
Soziologe François Höpflinger hat das Zahlenmaterial dieses Familienberichtes
analysiert: „Insgesamt wünschen sich Frauen, wie auch Männer 2,2 Kinder, das
wäre die richtige Zahl für einen langfristigen Generationenerhalt.“ Damit käme auch
die demografische Schieflage wieder langsam ins Lot. Höpflinger betont, dass
die gewünschte Kinderzahl mit der Zwei-Kinder-Norm bei Frauen und auch bei
Männern über die letzten Jahre erstaunlich konstant geblieben ist.
Warum ist die reale Familiengrösse kleiner als die
gewünschte?
„Frauen und
Männer mit einem tertiären Bildungsabschluss haben ihr erstes Kind später als
jene mit einem niedrigen Bildungsniveau und bleiben auch öfter kinderlos. Sie
geben häufig an, dass sich ihre Karrierenaussichten mit einem Kind
verschlechtern würde“, gemäss Familienbericht 2017. Weitere Gründe warum die
ursprünglichen Lebenspläne der Frauen und Männer in der Schweiz nicht gelingen,
sind etwa gesundheitliche Probleme oder biologisch bedingte Unfruchtbarkeit und
Trennung in der Partnerschaft. Die Qualität der Beziehung ist besonders wichtig
für eine Familiengründung: Jung und fruchtbar allein genügt nicht, Marianne
braucht einen passenden Mann dazu.
Lebensentwurf Familie
Die Publikation von Prof. René Levy „Wie sich Paare beim Elternwerden retraditionalisieren, und das gegen ihre eigenen Ideale“, Vol. 11, No 3, 2016 – swiss academies communication, kann den Familienbericht ergänzen. Ein für Europa und der Schweiz empirisch erhärtete Sachverhalt ist die Retradtionalisierung der geschlechterspezifischen Rollenmuster bei der Familiengründung – entgegen der Ideale und ursprünglichen Wünsche des Paares. Dieser Sachverhalt ist ein wichtiger Grund, warum Frauen nach dem ersten Kind auf ein zweites verzichten. http://www.sagw.ch/sagw/laufende-projekte/generationen/publis-generationen.html
Die Publikation von Prof. René Levy „Wie sich Paare beim Elternwerden retraditionalisieren, und das gegen ihre eigenen Ideale“, Vol. 11, No 3, 2016 – swiss academies communication, kann den Familienbericht ergänzen. Ein für Europa und der Schweiz empirisch erhärtete Sachverhalt ist die Retradtionalisierung der geschlechterspezifischen Rollenmuster bei der Familiengründung – entgegen der Ideale und ursprünglichen Wünsche des Paares. Dieser Sachverhalt ist ein wichtiger Grund, warum Frauen nach dem ersten Kind auf ein zweites verzichten. http://www.sagw.ch/sagw/laufende-projekte/generationen/publis-generationen.html
Marianne macht Karriere
„Muttersein
läuft nicht neben her“, erklärt auch Claudia Opitz, Professorin für Neuere
Geschichte der Universität Basel in einem Interview zum Muttertag im
SonntagsBlick-Magazin. Sie leitet mit einem Kollegen der Universität Bern ein
Forschungsprojekt über Familienbeziehungen in der Moderne. Die Historikerin ist
nebst ihrer akademischen Laufbahn selber Mutter von zwei erwachsenen Töchter. „Wir
hatten ein sehr tolles Familienleben, weil sich mein Mann sehr auf die
Vaterrolle eingelassen und mich für meine Berufskarriere entlastet hat“,
erzählt Claudia Opitz. http://www.blick.ch/life/so-hat-die-rolle-der-mama-veraendert-muttersein-laeuft-nicht-nebenher-id6668453.html
Urbaner Familialismus
„Die
Kompetenz im Handlungsfeld „Förderung der Familien“ liegt hauptsächlich bei den
Kantonen und Gemeinden. Der Bund hat gestützt auf Artikel 116 Absatz 1 BV
lediglich eine Unterstützungskompetenz.“ (siehe Familienbericht Seite 50). Die
distanzierte Haltung im Schlussbericht des Bundes zur Situation der Schweizer
Familie ist nicht ermutigend. Höpflinger beobachtet jedoch eine neue
Entwicklung, die sich langsam ausbreitet. Er beschreibt die Entstehung eines
„urbanen Familialismus“, gestärkt durch den Ausbau von Kinderbetreuung und
flexiblen Arbeitsformen in einigen Schweizer Städten. Sein Fazit: Ein kleiner
Babyboom in Städten bahnt sich an. Dadurch könnte sich auch die Geburtenziffer langsam
verändern. Werden junge, fruchtbare Städterinnen die neuen Mariannes, die
unseren Staat aus der Schieflage retten werden? Die urbanen Heldinnen werden kaum
Modell stehen für ein Ölgemälde – allerdings würden sie als Protagonistinnen in
YouTube-Videobeiträgen von einem Millionenpublikum gefeiert.
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