Dr. Franca Siegfried
Schweizerische Akademie der Geistes- und Sozialwissenschaften
Titelgeschichte 20 Minuten, Montag 7. November 2016: "Es
entwickelt sich ein akademisches Proletariat, das sich finanziell nur noch knapp
über Wasser halten kann", sagt Lena Frank, nationale Jugendsekräterin
der Gewerkschaft Unia. Lukas Golder vom Institut gfs.bern beobachtet ehemalige
Geschichts- oder Ethnologiestudenten, die nach Studienabschluss lange auf
Reisen gehen und schliesslich nur Teilzeit arbeiten. Sorgt sich die
Pendlerzeitung 20 Minuten um die Zukunft der Geistes- und Sozialwissenschafter?
Ist die Besorgnis von 20 Minuten berechtigt?
"Nein",
sagt Markus Zürcher der Generalsekretär der Schweizerischen Akademie der
Geistes- und Sozialwissenschaften (SAGW). "Der Berufseinstieg vieler Geistes-
und auch Sozialwissenschafter dauert im Durchschnitt bis zu fünf Jahren." Absolventen
nehmen sich Zeit für Praktika in unterschiedlichen Berufsfeldern und üben sich
im Modell "trial and error". Versuch und Irrtum, eine heuristische Methode, nach der passenden,
individuellen Lösung für die Zukunft zu suchen. Darum sind alle Praktika
äusserst lehrreich, wer sich in diversen Berusfeldern umgeschaut hat, der konnte
soviel Erfahrung sammeln, dass er auch weiss, was er wirklich arbeiten möchte. Trotzdem
fordert Lena Frank der UNIA, Dauer der Praktika und einen Mindestlohn gesetzlich
zu regeln.
Teilzeit als Zukunftsmodell
2014 haben
gemäss der Pendlerzeitung 20 Minuten mehr als die Hälfte der Masterabsolventen
der Geistes- und Sozialwissenschaft Teilzeit gearbeitet. "In einer Welt, die
sich so schnell verändert und in der man nicht weiss, ob es den Job in Zukunft
noch gibt, ist es sinnvoll, ein zweites berufliches Standbein zu haben", sagt Markus
Zürcher. Das Halbe-Halbemodell der geteilten Elternschaft ist auch eine gute Möglichkeit
Kinder aufzuziehen. Zudem gestattet Teilzeitarbeit sich ein Leben lang weiterzubilden.
Die Einkommensperspektiven der Geistes- und Sozialwissenschaften hat die SAGW publiziert: https://abouthumanities.sagw.ch/15-statistiken/15-4-einkommenperspektiven.html
Bildung nicht nur für die Kasse
Bildung
beeinflusst individuelle Lebenschancen und ist der Schlüssel zur
gesellschaftlichen Integration. Eine gute soziale Integration erhöht die
Lebenserwartung und beeinflusst die Gesundheit positiv – Bildungsreiche rauchen
weniger, leiden seltener an Krankheiten wie etwa Schlaganfall oder Diabetes. Man
kann sich fragen, warum die Pendlerzeitung 20-Minuten die Geschichte „des akademischen
Proletariats“ auf den Titel gebracht hat. Zumal in den Medien viele
Geisteswissenschafter Unterschlupf finden, so auch 20-Minuten Chefredaktor
Marco Boselli, der an der Universität Zürich Germanistik und Publizistik
studierte – sogar ohne Abschluss.
https://abouthumanities.sagw.ch/
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