Reformen in der SNF-Projektförderung: Die Geisteswissenschaften im naturwissenschaftlichen Korsett?

Veranstaltung: Zur Diskussion: SNF-Projektförderung in den Geistes- und Sozialwissenschaften (7. April 2016). Ein Beitrag von Dr. Marlene Iseli

Während für die GSW die Berücksichtigung verschiedener Wissenschaftskulturen wichtig ist, scheinen die Trends in der Forschungsförderung in Richtung Vereinheitlichung und Gleichbehandlung zu gehen. Diese gegenläufigen Entwicklungen werden z.T. mit grosser Sorge beobachtet. Dabei wird nicht selten der Verdacht geäussert, dass man sich in der Forschungsförderung stark an den Naturwissenschaften orientiert. Auch bei den Reformen in der SNF-Projekt und Karriereförderung würden vorwiegend der ETH-Bereich und die Life Sciences profitieren, wobei gerade die Forschungspraxis der kleineren Fächer stark beeinflusst werden dürfte. Ist eine Orientierung an naturwissenschaftlichen Modellen tatsächlich erkennbar?  Einige – nicht abschliessende – Überlegungen dazu:

One person – one grant
Mit der neuen Regel one person one grant will der SNF Stellvertretergesuche vermeiden, die Frage des ownerships eines Projekts berichtigen, diversifizieren und legitimerweise einen realistischen Einsatz des Hauptantragstellers einfordern. Nur bei thematisch eindeutiger Abgrenzung kann man in der Ausnahme ein zweites Projekt beantragen. Bedeutet das nun, dass man dieses eine Projekt viel grösser gestalten soll – schliesslich gibt es für das Finanzierungsvolumen keine Obergrenze. Befeuert dies nicht zusätzlich die künstliche Portionierung von Forschungsinhalten, wie sie bereits mit der Projektförderung begünstig wird? Ist es nicht ist sinnvoll, dass grosse Themen mit verschiedenen Kleinprojekten angegangen werden? 

Caspar Hirschi zeigt Verständnis für diese Neuregelung. Das aktuelle System, das seiner Meinung nach eine Postdoc-Blase mit enormen Folgeschäden generiert, verantwortet einen massiven Potenzialverschleiss sowie prekäre Karriereperspektiven für den wissenschaftlichen Nachwuchs. Die Projektförderung habe zu diesem enormen Stellenwachstum über die letzten Jahre beigetragen. Es stelle sich die Frage, ob denn one person one grant zwingend grössere Projekte heisse. Da müsse man halt ein Projekt nach dem anderen machen. Bis anhin war die Praxis, dass die Post-docs die Anträge schrieben, die sich dann von den Professoren angeeignet wurden. Das sei ein Missstand mit Blick auf das ownership.

Koppelung Immatrikulationszeitpunkt mit Beginn der Förderdauer von 4 Jahren
Die Ausdehnung der Projektförderung auf 4-Jahre sei im Grundsatz lobenswert, wird aber genau wegen dieser Regelung unterlaufen, so Virginia Richter. Es läge in der geistes- und sozialwissenschaftlichen Wissenschaftskultur, als Doktorandin eben nicht in ein vordefiniertes Programm einzusteigen. Die selbständige Erarbeitung einer einschlägigen Fragestellung ist Teil der Forschungsleistung. Bei dieser Koppelung an den Immatrikulationszeitpunkt fehlt genau in der intensiven Schreibphase beim Abschluss der Doktorarbeit das Geld. 

Sinergia: Ausrichtung auf breakthrough research mit dem Prinzip high risk – high reward
Die wirklich grossen Fragen der Forschungsförderung werden von Jean-Jacques Aubert in seinem Einstiegsvotum adressiert und bleiben unbeantwortet: Kann eine nationale Politik, die die Wissensgesellschaft doch stark top-down im Zeichen von Innovation, breakthrough-research und Nutzensorientierung zu steuern versucht, die Wissensprozesse in diesem Sinne so stark kanalisieren? Ist Innovation nicht oft auch „le fruit du hasard“, der sich nicht einfach so erzwingen lässt? Ist grösster Wettbewerb immer der richtige Treiber für Bestleistungen, oder wäre eine Ermöglichungskultur mit dem notwendigen Vertrauen nicht elementar für eine nachhaltige Forschung? 

Gute Absichten und antizipierte unerwünschten Nebeneffekte
Zweifellos kann man mehreren Absichten der SNF-Reformen eine positive Komponente abgewinnen, aber die Berücksichtigung von den bisweilen stark unterschiedlichen Wissenschaftskulturen scheint an einem eher bescheidenen Ort. 

Der SNF ist sich den Befürchtungen der GSW jedoch bewusst. Man will die Effekte sorgfältig beobachten und ist offen für Anpassungen nach der Implementierung des Reglements. Der Ball liege nun bei den Universitäten. Wir verfolgen die weiteren Entwicklungen mit Interesse

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