Beitrag von Dr. Regina Schneider, Euresearch
Während sich in
Brüssel die Europäische Kommission (EC), der Rat der Minister und die
VertreterInnen des Europäischen Parlamentes noch um die genaue Ausgestaltung
des nächsten Europäischen Rahmenprogramms für Forschung und Innovation
(„Horizon 2020“) streiten, steht dieser Tage die grundsätzliche Weiterführung
der Schweizer Beteiligung an Horizon 2020 in der nationalrätlichen Kommission
für Wissenschaft, Bildung und Kultur (WBK) zur Diskussion. In der generell
etwas angespannten Beziehung zwischen der EU und der „Rosinenpickerin“ Schweiz
wäre eine einhellige Zustimmung zur Erneuerung des Assoziationsvertrages durch
das Parlament ein schönes, positives Signal nach Brüssel.
Das hoffentlich grüne
Licht des Parlaments beinhaltet aber auch eine Verpflichtung. Wenn die Schweiz schon
bedeutende Summen an die EC transferiert, dann soll die hiesige Wissenschaftsgemeinschaft
die Gelegenheit auch wahrnehmen und versuchen, sich ihren Anteil am reich
gefüllten Topf in Brüssel zu sichern. Viele Organisationen in unserem Land haben
diese Finanzierungsquelle längst für sich entdeckt; die Geistes- und
Sozialwissenschaften (GSW) dagegen übten sich bisher in sehr vornehmer
Zurückhaltung. Natürlich gibt es eine Vielzahl von Argumenten, die gegen ein
Engagement der GSW in FP7 oder Horizon 2020 sprechen. Immer wieder hinterlassen
die angeführten Gründe bei mir aber den Beigeschmack von sauren Trauben. Wem
die thematischen Programme mit ihren „top-down“ vorgegebenen Forschungsthemen
zu starr, die Organisationsformen zu fremd sind, könnte es ja mit einem Grant des
European Research Council versuchen, wo die Themen frei von den Forschenden
bestimmt werden können. Für diejenigen, denen auch dies zu aufwendig ist, gibt
es COST-Actions, die es ermöglichen, sich mit ausländischen Forschenden im gleichen
Themengebiet zu vernetzen. Auch hier ist die Fragestellung voll und ganz der
Forschenden-Community überlassen, und der administrative Aufwand ist minimal. Und
dennoch machen selbst von diesem niederschwelligen Instrument kaum Schweizer
GSW-Forschende Gebrauch. Welche stichhaltigen Gründe sprechen denn noch gegen eine
solch einfache Form der europäischen Zusammenarbeit?
In der Pflicht sind aber auch die Universitäten. Zu oft verstehen
GSW Fakultäten und Institute Engagements in europäischen Forschungsprojekten immer
noch als Privatvergnügen der Antragstellenden, das mit ihren übrigen Lehr- und
administrativen Pflichten nicht kollidieren darf. Dass eine erfolgreiche
Beteiligung an einem EU-Projekt aber der ganzen Institution zur Ehre
gereicht—sie ist es ja, die sich zur Forschungsleistung verpflichtet, und nicht
die Einzelperson—haben viele Schweizer Universitäten noch nicht verstanden,
zumindest nicht, wenn es sich um GSW Projekte handelt. Ein Umdenken in dieser
Hinsicht wäre nicht nur für die einzelnen Forschenden wünschenswert. Wenn immer
wieder beklagt wird, dass die Öffentlichkeit die gesellschaftliche Relevanz von
GSW Forschung nur ungenügend anerkennt, so hängt das auch damit zusammen, dass
die Institutionen sich zu selten über Forschungsresultate ihrer GSW
profilieren. Von der WBK wünschen wir uns eine Hinwendung zu Europa, von den
Schweizer Rektoraten aber die nötige Unterstützung der Geistes- und
Sozialwissenschaften, denn nur letztere können uns erklären, was Europa
überhaupt ist.
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