Was macht gute geisteswissenschaftliche Forschung aus?

«Die Geisteswissenschaften sind in der Defensive, nur ein Blinder kann das leugnen. Da hilft es nicht, zu beteuern, wie wichtig ihre Gegenstände - Sprache, Literatur, Kunst, Geschichte - sind; davon braucht man die wenigsten zu überzeugen. Auch der Hinweis auf die Komplexität dieser Gegenstände ist geschenkt. Natürlich sind die Ursachen des Lautwandels, um ein Thema aus meinem Gebiet zu nennen, sehr komplex. Aber das menschliche Genom zu sequenzieren oder die Bahn einer Rakete so zu berechnen, dass sie zum Mars fliegt, ist auch nicht von Pappe. Das stete Zurückfallen der geisteswissenschaftlichen Forschung hinter die naturwissenschaftliche liegt an dem mangelnden Bestreben Rerum cognoscere Causas. Aus dieser selbst verschuldeten Misere helfen uns freilich auch Erfolgsmodelle aus Physik oder Biologie nicht ohne weiteres heraus: Die Geistes- und Sozialwissenschaftler müssen sich schon selber auf die Suche nach den Prinzipien machen, die den von ihnen untersuchten Erscheinungen zugrunde liegen.» (Klein 2004)

Bleiben die Geisteswissenschaften auch im Kontext der Forschungsförderung suspekt, weil sie kaum quantifizierbare Resultate liefern (wie Regina Schneider von Euresearch im nächsten Bulletin der SAGW schreibt) und kausale Beziehungen auf einer generalisierten Ebene umgangen werden? Mit welchen Qualitätsmerkmalen lässt sich die oft vermisste Möglichkeit zur Verallgemeinerung kompensieren?


Quelle: "Was die Geisteswissenschaften leider noch von den Naturwissenschaften unterscheidet", Wolfgang Klein. In: Gegenworte, 13/2004. Download vollständiger Artikel: www.gegenworte.org/heft-13/klein13.html (12.10.2011)

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