Catwalk Medien – neue Modelle der vierten Gewalt

Dr. Franca Siegfried Schweizerische Akademie der Geistes- und Sozialwissenschaften„Drei Entwicklungen strapazieren das Geschäftsmodell der Presse“, sagt Professor Otfried Jarren, Präsident der Eidgenössischen Medienkommission (EMEK). 1. Die Werbung erreicht Menschen direkt mit Social Media oder auf Plattformen im Internet. 2. Es werden mit digitalen Endgeräten Informationen genutzt, die jederzeit und meistens kostenlos verfügbar sind. So ist aus dem Anbieter- ein Nachfragemarkt geworden. 3. Die Verleger verkaufen ein themenreiches Kuppelprodukt inklusive Werbung. Ihre Mischkalkulation zuzüglich Abonnements, ermöglichten ihnen und ihren Redaktionen eine finanzielle Planungssicherheit. Dieses Gesamtprodukt ist jedoch bei der jungen Generation nicht mehr erwünscht.

Digitale Kolonialherren
Das Geschäftsmodell zur nachhaltigen Finanzierung des Journalismus ist in der Krise, seit digitale Verleger wie Google und Facebook ins publizistische Geschäft eingestiegen sind. Sie kontrollieren, wer was zu sehen bekommt und wer für welche Aufmerksamkeit bezahlt. Die Plattformen sortieren mit Algorithmen Medieninhalte, verteilen alles zielgruppengerecht und steuern so den Nachrichtenverkehr. Die Silicon-Valley-Giganten bestimmen zunehmend welche journalistischen Formen und Formate florieren und stellen Medienschaffenden nötige „Werkzeuge“ zur Verfügung. („Schweizer Journalist“ Nr. 4/5 2017):

Medien-Trendmonitor 2017
500 JournalistInnen der Schweiz haben bei der online-Befragung bestätigt – die Sozialen Netzwerke sind ihr Werkzeug im redaktionellen Alltag. Am häufigsten nutzen JournalistInnen (61 Prozent) das Social Web zur Beobachtung anderer Medien oder Ereignissen. Mit Social Media wird jedoch auch recherchiert (58 Prozent). Über die Hälfte der befragten JournalistInnen behaupten, dass sie ihre Beiträge mit Neuen Medien veröffentlichen. Für den Dialog mit Zielgruppen nutzt jeder vierte Befragte die Sozialen Netzwerke (Whatsapp, Facebook, Twitter, Instagram, Snapchat, Google+ usw.).

Krise als Motor
Mit dem Begriff „Krisen“ wetteifern JournalistInnen in ihren Stories um die Aufmerksamkeit des Publikums – nun hat es die professionellen Krisen-Ausrufer selber erwischt. Krisen entstehen aus Transformationen bzw. in Übergangszeiten und sind zugleich Motivator für neue Denkansätze: Gefragt sind jetzt neue Modelle im Journalismus, welche eine politische Debatte auslösen und zukunftsweisend für unsere direkte Demokratie sein werden.
  
Medien und Staat
In der politischen Diskussion über die Medienkrise dreht sich alles um die Grundsatzfrage, wieviel Staat bzw. öffentliche Förderung verträgt die vierte Gewalt. Soll beispielsweise eine Journalismusförderung die bis anhin geltende indirekte Presse- und Medienförderung ablösen? Wie steht es jedoch mit der politischen Einflussnahme, da jede Förderung mit einem Leistungsauftrag verbunden ist. Oder könnte das Szenario „Mehr Markt“ umgesetzt werden? Dabei würde der Service Public von den privaten Medienhäusern übernommen, damit sie mehr Ressourcen für den Journalismus hätten. Der Verlegerverband selber verlangt öffentliche Förderung von Infrastrukturen und eine Einschränkung der staatlichen Medien. Die Medienhäuser könnten sich auch als digitale Konzerne komplett erneuern oder ihr Geschäftsfeld in anderen Bereichen zur Diversifikation ausweiten. Oder müsste die indirekte Förderung noch mehr ausgebaut werden? Bis anhin finanzierte der Staat eine Posttaxenverbilligung und einen reduzierten Mehrwertsteuersatz.

Der „andere“ Journalismus
Besonders die indirekte Förderung injiziert neue Denkansätze: Die Eidgenössische Medienkommission EMEK schlägt etwa eine öffentliche Medienstiftung vor, welche eine Qualitätssicherung des Journalismus garantiert und für alle eine öffentliche Infrastruktur zur Verfügung stellt. Es wäre ein OpenAccess-Konzept, wie es der Bund in der Wissenschaft bis 2024 anstrebt. Eine Idee aus der Westschweiz orientiert sich am Vorbild Filmförderung aus öffentlichen Geldern über eine unabhängige Institution. Ein anderes Modell „Gebühren für alle“ könnte für alle Medien, nicht nur für Radio und TV, gelten. Das Modell „Service Public“ würde die SRG komplett zu einer Content Marketing Agentur umbauen. Zur Basisfinanzierung für einzelne Medienprodukte ist beispielsweise das Modell „Crowdfunding/Mäzen“ lanciert worden – bereits umgesetztes Beispiel ist das digitale Magazin „Republik“: 14'000 Menschen haben 240 Franken für ein Jahresabonnement bezahlt – das Magazin ist jedoch erst im Aufbau.

Schweizer Catwalk der Modelle
Rund sieben Modelle kursieren in der Branche und lösen teilweise eine Rudel-Euphorie aus, etwa das Crowdfunding von Constantin Seibt und Christof Moser für ihr digitales Magazin „Republik“. Die einzelnen Journalismus-Modelle sind mit wenigen Protagonisten besetzt, welche jedoch alle eine ähnliche Vision vom unabhängigen Qualitätsjournalismus haben. Dieses Szenario erinnert an Gottfried Kellers Novelle „Das Fähnlein der sieben Aufrechten“, altgediente Freiheitskämpfer, die unter eigenen Fahne feiern wollen. Es sind Journalisten, die sich als Meckerer und Schnüffler der Nation verstehen und sich um unsere Demokratie wie auch um ihre Berufsrolle sorgen. Am 13. September wird nun auch Professor Otfried Jarren mit einem Positionspapier der EMEK über die Gestaltung der Medien- und Kommunikationsordnung die Öffentlichkeit informieren.

Presseadvisor
Es gibt sogar ein achtes Modell, das sich nicht Wissenschaftler ausgedacht haben, sondern Mateo Landolt, ein Gymnasiast aus Immensee (SZ). Er hat sich in seiner Maturaarbeit gefragt, wie guter Journalismus in Zukunft bezahlbar bleibt. Sein Vorschlag: Eine Plattform auf der alle Beiträge sowohl von Journalisten, wie auch von Amateuren aufgeschaltet sind und von Rezipienten, wie auch Experten beurteilt werden: Matteos Modell funktioniert wie Tripadvisor – ein Presseadvisor. Die Lokalzeitung „Bote der Urschweiz“ hat den Maturanden besucht: Wer im Internet darüber lesen möchte, der muss bezahlen: „Paywall“! Bei vielen Kleinverlagen im Lokal- und Regionaljournalismus funktioniert das alte „Geschäftsmodell Journalismus“ noch... https://www.bote.ch/importe/fupep/bdu-epaper/bu_kuessnacht/kommt-neu-der-pressadvisor;art149141,1021448

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